MFJB

7. 11. 2021, 19 Uhr

Janáček-Oper des Nationaltheaters Brno

Autor: Bohuslav Martinů
Dirigent: Robert Kružík
Regie: Jiří Heřman
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1. Akt

Die Glocke von Lykovrissi läutet zum Ende des Gottesdienstes am Ostersonntag. Priester Grigoris gibt bekannt, wen von den Dorfbewohnern der Ältestenrat für die nächsten Passionsspiele ausgewählt hat. Die Rollen der Apostel Jakobus, Petrus und Johannes gehen an den Kaffeehausbesitzer Kostandis, den Händler und Postboten Yannakos und an Michelis, den Sohn des Bürgermeisters. Mit der Rolle der Maria Magdalena betraut er die Witwe Katerina. Für die Figur des Judas hat er den jähzornigen Panait ausgewählt, der die ihm zugeteilte Rolle jedoch hartnäckig ablehnt. Es bleibt noch Christus übrig, und diese schwerste Rolle soll Manolios übernehmen. Auf allen Ausgewählten lastet eine schwere Verantwortung. Sie sollen ein ganzes Jahr lang so tugendhaft leben, dass sie sich jenen annähern, die sie in den Passionsspielen darstellen werden. Manolios ist so in Gedanken versunken, dass er nicht einmal die Hänseleien seiner Braut Lenio wahrnimmt. Doch ein Wehgeschrei aus der Ferne erregt die Aufmerksamkeit aller Dorfbewohner. In das Dorf strömt eine Schar jämmerlicher Menschen. Sie sind auf der Flucht vor den Türken, die ihr Dorf niedergebrannt haben. Hungrig und erschöpft bitten sie um Hilfe und um ein Stück Land, wo sie sich niederlassen können. Priester Grigoris jedoch hat für die Flüchtlinge und den Priester Fotis, der sie anführt, nur schroffe Worte übrig – weder vom Wohlstand des Dorfes noch von seinem Boden will er etwas abgeben. Vom Hunger ausgezehrt, stirbt plötzlich eine der Frauen, Despinio. Grigoris nutzt diese Gelegenheit und brüllt „Cholera!“. Die entsetzten Dorfbewohner rennen davon. Es bleiben nur Manolios mit Katerina und einigen weiteren zurück. Manolios rät den Flüchtlingen, sich am Berg Sarakina niederzulassen, wo es Wasser, Wildtiere und ausreichend Brennholz gebe.

2. Akt

Katerina ist in jungen Jahren verwitwet und allein geblieben. Die Männer des Dorfes begannen ihre Gesellschaft zu suchen, und sie wies sie nicht ab – weder Panait noch den alten Patriarcheas oder Grigoris. Ihre Gedanken sind jedoch nur bei Manolios, und gleichzeitig verspürt sie mehr für ihn als nur körperliche Begierde. Sie erzählt Yannakos einen Traum, in dem ihr Manolios erschien. Yannakos blickt auf Katerina in gleicher Weise wie alle Männer des Dorfes herab, statt Verständnis hat er für sie daher nur mahnende Worte übrig, sie solle Manolios in Ruhe lassen.

Auf Yannakos wartet der reiche Wucherer Ladas, der ihn davon zu überzeugen versucht, dass er leicht zu Reichtum gelangen kann, wenn er den Flüchtlingen im Tausch gegen Lebensmittel das Gold und den Schmuck entlockt, die sie vor den Türken retten konnten. Den Erlös würden sie selbstverständlich teilen. Yannakos erhält einen Vorschuss und macht sich zum Berg Sarakina auf.

Manolios begegnet bei der Quelle des hl. Basilios Katerina, die ihm gesteht, dass sie von ihm träumt. Auch ihm ist sie nicht gleichgültig, doch weiß er nicht, wie er ihr helfen kann. Er bittet Katerina, nicht mehr an ihn zu denken.

Am Berg Sarakina versucht Fotis die erschöpften Flüchtlinge aufzumuntern und sie davon zu überzeugen, dass sie sich hier ein neues Leben aufbauen werden. In den Fundamenten des Tores eine neuen Dorfs, wo die Gebeine der Vorfahren bestattet werden sollen, stirbt ein alter Mann, im Reinen mit der Welt und glücklich, dass seine Kinder weiterleben werden. Yannakos, der eigentlich kam, um aus dem Elend der Flüchtlinge ein Geschäft zu machen, ist erschüttert. Unter Tränen gesteht er Fotis, dass er sich an ihrem Unglück bereichern wollte, bittet um Vergebung und überlässt den Flüchtlingen das von Ladas erhaltene Geld.

3. Akt

Manolios zweifelt an seiner Berufung, sein innerer Kampf setzt sich bis in einen Fiebertraum fort. Er nimmt nicht einmal Lenio wahr, die zu ihm gekommen ist, worauf sie beschließt, ihre Gunst dem Hirten Nikolios zu schenken. Manolios geht ins Dorf hinab und sucht Katerina auf. Sie empfängt in freudig, doch Manolios bittet sie, ihn nicht zu verfolgen, da er sie als seine Schwester empfinde. Katerina ist gerührt, empfindet seine Worte als Reinigung und wir ihm ihr Leben lang ergeben bleiben.

Auf dem Weg zum Berg Sarakina begegnet Katerina Yannakos. Sie erklärt ihm, dass sie ein Schaf hinbringe, damit die Kinder genug Milch hätten. Sie selbst hat keine Kinder, und so erscheinen ihr alle anderen wie ihre eigenen. Auch Yannakos begreift endlich Katerinas Wandlung.

Manolios versucht die Leute aus dem Dorf zu überzeugen, den Flüchtlingen zu helfen. Priester Grigoris ist außer sich vor Wut, denn er spürt, wie er seine Autorität verliert. Daher hat er

rasch zu handeln. Mit der Hilfe der „Apostel“ vertreibt er Manolios aus dem Dorf. Michelis verrät Yannakos und Kostandis, dass Lenio Manolios nicht mehr heiraten will. Nikolios kommt ängstlich zu Manolios, um ihm mitzuteilen, dass er Lenio heiraten wird. Manolios jedoch wünscht ihm freundschaftlich viel Glück.

4. Akt

Das freudige Fest von Nikolios und Lenio wird durch die aufgebrachte Stimme des Priesters Grigoris unterbrochen. Man müsse das räudige Schaf aus der Herde vertreiben, damit es nicht die anderen anstecke. Manolios wird exkommuniziert, und die gleich Strafe trifft auch alle anderen, die ihm beistehen. Doch Michelis, Yannakos und auch Kostandis stehen fest an seiner Seite. Manolios beichtet seine Taten. Die Rolle des Christus hat ihn hochmütig gemacht, doch jetzt begreift er ihre eigentliche Bedeutung. Alles im Leben hat seine Zeit, und jetzt ist die Zeit gekommen, dass die Welt, in der Kinder vor Hunger sterben, untergeht. Aus der Ferne sind die Stimmen der Flüchtlinge von Sarakina zu hören, die in ihrer Not ins Dorf kommen. In diesem Moment erschlagen die Dorfbewohner Manolios und beschuldigen Panait – Judas – der Tat. Den Flüchtlingen bleibt nur eine Möglichkeit …

Libretto: Bohuslav Martinů

Dirigent: Robert Kružík

Regisseur: Jiří Heřman

Bühne: Dragan Stojčevski

Kostüme: Alexandra Grusková

Dramaturgie: Patricie Částková

Chorleiter: Pavel Koňárek, Michal Vajda, Valeria Maťašová

Bewegung Zusammenarbeit: Kateřina Nováčková

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Manolios: Harold Meers

Kateřina: Pavla Vykopalová

Priester Grigoris: Jan Šťáva

Priester Fotis: David Szendiuch

Jannakos: Ondřej Koplík

Kostandis: Roman Hoza

Lenio: Andrea Široká

Panait: Petr Levíček

Ladas: Robert Musialek

Ein alter Mann: Josef Škarka j. h.

Patriarcheas: Petr Karas

Michelis: Dušan Růžička

Andonis: Vít Nosek

Eine alte Frau: Jitka Zerhauová

Nikolios: Tadeáš Hoza j. h.

Despinio: Tereza Kyzlinková

kleine Manolios: Boris Trhlík, Kryštof Cholava

Das Ensemble der Ungarischen Staatsoper wird beim Festival Janáček Brno nicht zum ersten Mal dabei sein. Diesmal jedoch reist es nicht mit einer Janáček-Inszenierung an, sondern mit einer Oper, deren Entstehung in jene Zeit fällt, als Janáček an seiner stilistisch neuartigen Oper Schicksal schrieb. Ebenso wie Janáček mit Jenůfa und anschließend mit der Oper Schicksal beschritt auch Richard Strauss mit seiner Salome einen neuen Weg – den Weg zur Oper des 20. Jahrhunderts.

Mit der Entstehung von Strauss’ Salome verbindet sich eine Anekdote: Als Strauss im Jahr 1902 in Berlin ein Schauspiel des englischen Dramatikers Oscar Wilde besuchte, soll einer seiner Freunde zu ihm gesagt haben: „Das wäre doch ein Sujet für Sie!“ Worauf Strauss geantwortet haben soll: „Ich schreibe doch gerade daran…“ Es kann nicht verwundern, dass den Komponisten das aus dem Alten Testament stammende Sujet ansprach. Die dekadente Atmosphäre am Hofe des galiläischen Tetrarchen Herodes, der in einer inzestuösen Ehe mit der Frau seines Bruders lebt und auch noch seine Stieftochter Salome begehrt, bietet für eine Oper eine Reihe von expressiven Momenten.

Oscar Wilde hatte Salome ursprünglich für die berühmte Schauspielerin Sarah Bernhardt geschrieben, die in dem Stück jedoch nie auftrat. Das Stück erschien 1893 in Paris im Druck und wurde noch in derselben Saison auf der Bühne aufgeführt. In Deutschland wurde Salome erst im Jahr 1901 erstmals gespielt, dafür jedoch mit großem Erfolg, konnte doch die Berliner Inszenierung von Regisseur Max Reinhardt in seinem Kleinen Theater nicht weniger als 200 Vorstellungen verbuchen. Richard Strauss lernte Wildes Schauspiel 1902 kennen, als ihm der österreichische Dichter Anton Lindner eine Kopie des Textes mit dem Angebot sandte, ihn für Strauss zu einem Opernlibretto umzuschreiben. Der Komponist zeigte Interesse, und Linder schickte ihm zur Anschauung umgehend seine Version der einführenden Szene. Im November 1902 jedoch besuchte Strauss eine Vorstellung in Berlin. Die deutsche Übersetzung von Hedwig Lachmann fand sein Gefallen, und er kam zu dem Schluss, dass es möglich sein sollte, direkt Wildes Text zu vertonen. Nach weitreichenden Studien und einer Unterredung mit Romain Rolland entschloss sich Strauss zur Kürzung und Vereinfachung einiger Passagen des ursprünglichen Bühnentextes. Mit dem Komponieren begann er nicht sofort, da er, trotz intensiver Beschäftigung mit dem Thema der Salome, zeitgleich an einem umfangreichen Orchesterwerk arbeitete – der Sinfonia domestica, welche er im Juli 1903 fertigstellte. Im folgenden Jahre reiste er zum Dirigieren in die Vereinigten Staaten. Im Zeitraum zwischen seiner Rückkehr und Juni 1905 entstand der wesentliche Teil von Salome. Er komponierte in jeder freien Minute neben seiner Dirigententätigkeit, und viele Musikwissenschaftler weisen darauf, dass trotz der allgegenwärtigen Gewalt in der Handlung der Oper die Handschrift der Partitur ruhig und sauber ist.

Als er Salome vollendet hatte, kontaktierte Strauss Ernst von Schuch aus Dresden, um ihm die Leitung der Premiere anzubieten. Er versicherte dem Dirigenten, das neue Werk würde keine so schweren Chöre wie seine Oper Feuersnot enthalten (was der Wahrheit entspricht, da in Salome überhaupt keine Chöre vorkommen). Die Hauptrolle und der Orchesterpart sind dagegen doppelt so schwer wie in jeder seiner früheren Opern. Bei den Proben kam es zu Problemen – bei der ersten Probe wollten sogar die meisten Sänger ihre Rollen zurückgeben. Schuch bat Strauss um eine Verschiebung der Premiere, doch der Komponist gab nicht nach, und so erlebte denn Salome am 9. Dezember 1905 in Dresden ihre Uraufführung. Der Erfolg war gewaltig, und obgleich sich die Kirche über die Amoralität der Oper entrüstete, fand das Stück rasch den Weg auf die übrigen deutschen Bühnen. Gustav Mahler schrieb an seine Frau, nachdem er Salome in Wien erlebt hatte: „Dies ist entschieden das Werk eines Genies, sehr stark und gewiss eines der wichtigsten Werke unserer Tage. Ein lebendiger Vulkan unter einem Haufen Schlacke, ein unterirdisches Feuer – und nicht bloß ein Feuerwerk!“

Mit dieser Oper reihte sich Richard Strauss unter die führenden Vertreter der musikalischen Avantgarde ein. Salome markierte eine deutliche Weiterentwicklung gegenüber seinen vorausgegangenen Bühnenwerken. Ihre Sprache ist viel abenteuerlicher, und sie bleibt bis heute eines der Meisterwerke der Oper des 20. Jahrhunderts. Gleichzeitig ist sie von der Interpretation her überaus anspruchsvoll, und so hängt ihr Erfolg allein von den gesanglichen und untrennbar damit auch von den schauspielerischen Qualitäten der Darsteller der beiden Hauptfiguren Salome und Herodes ab.

Autor: Patricie Částková